Um es gleich vorwegzunehmen: Ich bin ein großer Fan von beidem! Aber auf eine etwas andere Art und Weise, als Sie es wahrscheinlich kennen … Warum uns sowohl Rück- als auch Ausblick persönlich enorm weiterbringen, möchte ich in diesem Blogartikel aufzeigen.
Fast jeder hat sich sicher schon einmal vorgenommen: Im neuen Jahr werde ich dies oder jenes besser machen. Mit dem Rauchen aufhören, öfter zum Sport gehen, besser auf die Gesundheit achten, mehr mit Freunden treffen, endlich die Weiterbildung machen etc. Interessanterweise könnte man sich an 365 Tagen im Jahr vornehmen, etwas zu verändern bzw. zu verbessern. Aber es scheint den meisten Menschen leichter zu fallen, den Jahreswechsel dafür anzupeilen – wahrscheinlich, weil er eine Art Zäsur ist, die man sich gut merken kann bzw. ein Wendepunkt, an dem „alles besser wird“ als bisher.
Bei genauer Betrachtung bedeuten gute Vorsätze also für die meisten Menschen, dass sie das, was sie sich vornehmen, bisher NICHT geschafft haben oder was sie bisher falsch gemacht haben. Eine recht negative Betrachtung der eigenen Leistung und des eigenen Lebens.
Woran es wohl liegt, dass uns die negativen Dinge immer viel schneller einfallen als die positiven? Ganz einfach: an unserem Gehirn. Ein wirklich faszinierendes Organ, das ich in einem meiner früheren Blogartikel ausführlich beschrieben habe. Es ist zu wahren Höchstleistungen fähig, ärgert uns aber auch manchmal. So zeigt es uns in der Regel vorrangig die negativen Dinge auf, etwa:
Generell finde ich es gut, sich mit den eigenen Fehlern zu beschäftigen, denn sie sind Helfer und wir lernen aus ihnen am meisten. Wenn etwas gut läuft, lernen wir nichts Neues. Aber wer schaut schon gerne ständig auf die Dinge, die nicht gut gelaufen sind, nur um daraus zu lernen? In meinen Lerncoachings mache ich das manchmal und frage meine Kursteilnehmer: Was meinen Sie – wofür waren Ihre Fehler gut? Was hat sich positiv verändert, nachdem Sie diesen oder jenen Fehler gemacht haben?
Viel lieber aber richte ich den Blick auf die bereits erreichten, positiven Dinge. Denn es lohnt sich, regelmäßig den Fokus auf das Gute zu legen. Es fördert das Selbstbewusstsein, motiviert und macht Mut, dass man noch viel mehr schaffen kann. Sich der eigenen Stärken und Erfolge bewusst zu sein, ist essentiell für das eigene Selbstwertgefühl und damit für Lebensfreude und ein Gefühl von Zufriedenheit mit sich und dem Leben.
In meinen Lerncoachings höre ich ganz oft, was nicht gut läuft, was man nicht kann oder wo es gar nicht funktioniert. Kurz gesagt, wo es hakt. Das ist auch grundsätzlich in Ordnung, schließlich bin ich dazu da, diese Dinge anzugehen, um Erleichterung zu schaffen. Dabei unterstütze ich wirklich sehr gerne.
Häufig wird jedoch vergessen, den Blick auch auf das zu richten, was gut gelaufen ist. Wo hatte ich ein Erfolgserlebnis? Wo bin ich über mich hinausgewachsen, was habe ich gelernt und was habe ich eigentlich schon geleistet?
Letztens sagte mir eine Schülerin, dass sie ihren eigenen Wert als Mensch eng mit ihrem schulischen Erfolg verknüpft. Wenn sie eine schlechte Note schreibt, fühlt sie sich irgendwie wertlos und stellt sich als Person als Ganzes infrage. Das hat mich wirklich traurig und sehr nachdenklich gestimmt. Warum ist das so? Vermittelt die Gesellschaft diese Wertvorstellung oder die Eltern?
Vor allem aber habe ich mich gefragt: Wie kann ich als Lerncoach dafür sorgen, dass Kinder und Jugendliche einerseits einfacher lernen und damit automatisch besser werden in der Schule, ihnen aber andererseits auch vermitteln, dass sich ihr Wert als Mensch an unzähligen weiteren Faktoren festmachen lässt, z. B. hilfsbereit und offen zu sein.
Um meine Lernenden zu motivieren und für die eigenen Stärken zu sensibilisieren, ermuntere ich sie, ihren Blick zu erweitern. Ich gehe mit ihnen gemeinsam auf die Suche nach dem Positiven. Und fast alle sind dann erstaunt, was sie schon alles geleistet und gelernt haben – vor allem für das Leben. Gerne gebe ich als Übung mit, einmal alle Erfolge und guten Dinge aufzuschreiben und am besten an einem gut sichtbaren Ort aufzuhängen. So schlagen wir dem Gehirn ein Schnippchen und erinnern es an die guten Sachen.
Durch das Aufschreiben und aktive Wahrnehmen der eigenen Stärken und positiven Dinge verlieren meine Coachees häufig die Sorge, dass sie nichts könnten. Das höre ich nämlich auch oft: „Ach, ich kann einfach nix!“ Pauschalisierungen, wie in meinem vorherigen Blogartikel schon erwähnt, mag ich gar nicht.
In den meisten Fällen stimmen sie auch nicht und so kann ich sie immer relativ schnell entkräften. Nur weil man vielleicht in Mathe nicht hochbegabt ist und Unterstützung benötigt, heißt das nicht, dass man auf allen Gebieten talentfrei ist. Jeder – ausnahmslos – kann irgendetwas besonders gut. Um herauszufinden, was man gut kann, muss man mitunter viele Dinge ausprobieren und sich von Zeit zu Zeit auch mal selbst auf die Schulter klopfen.
Haben Sie Lust, das vergangene Jahr mal aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten? Dann notieren Sie doch einmal für sich:
Und dann noch meine Lieblingsfrage, die in meinen Kursen regelmäßig für viel Unterhaltung und Lacher sorgt:
Wenn das Jahr 2022 eine Schlagzeile in einem Boulevardmagazin wäre, wie lautet sie?
Inzwischen weiß man: Die meisten guten Vorsätze scheitern. Das liegt entweder an unrealistisch gesetzten Zielen oder daran, dass das Leben einem häufig einen Strich durch die Rechnung macht. Hinzukommt, dass die Motivation bei vielen Zielen schnell wieder verschwindet, wenn das neue Jahr erst einmal da ist. Vorher lässt es sich leicht sagen: Im neuen Jahr mache ich dies oder das – wenn es dann aber tatsächlich ans Machen geht, ist die Euphorie häufig nicht mehr so groß.
Wie wäre es also stattdessen mit einem bunten Strauß an (kleinen) Dingen, die wir uns ganz allgemein für das komplette neue Jahr vornehmen?
Einige Anregungen:
Noch ein Tipp: Anstelle alles zu notieren, was Sie tun möchten bzw. müssen, machen Sie doch auch einmal eine Liste mit Dingen, die nicht mehr erledigt werden müssen. Es tut nämlich unheimlich gut, Dinge auf einer Liste abhaken zu können, Sie werden sehen! Haben Sie in diesem Jahr schon den Keller aufgeräumt? Prima, dann müssen Sie das schonmal nicht mehr im nächsten Jahr machen. Diese „not-to-do-Liste“ – also „was möchte ich nicht machen“ – sollte ebenso dazugehören wie Pläne, was Sie auf jeden Fall schaffen möchten.
Stellen Sie sich immer dann, wenn Sie sich selbst für einen Fehler oder für ein Versäumnis kritisieren, die Frage, ob Sie so auch mit Ihrer besten Freundin oder Ihrem besten Freund umgehen würden. Ich wette, die Antwort lautet in 99 % der Fälle NEIN.
Also:
Und zum Schluss: Trennen Sie unbedingt Leistung von Ihrem Wert als Person. Auch wenn einmal etwas schiefläuft, sind Sie genauso wertvoll wie vorher auch.
In diesem Sinne: alles Gute, viel Gelassenheit und Eigenlob für das Jahr 2023!