Dass Worte einen großen Einfluss auf unsere Gefühlswelt haben, ist sicherlich unbestritten. Sprache ist ein mächtiges Werkzeug, dass sowohl er- als auch entmutigen kann. Denken Sie einmal daran, wann Sie das letzte Mal durch einen Satz verletzt wurden, z. B. „Du kannst aber auch gar nichts richtig machen.“. Und nun denken Sie an eine Situation, in der ein positives Feedback Ihnen ein gutes Gefühl, Motivation und Selbstvertrauen gegeben hat. Das können Sätze gewesen sein wie: „Das ist ja klasse geworden!“ oder „Wow, ich bin wirklich beeindruckt von deiner Leistung.“
Ermutigend, unterstützend, wertschätzend und aufbauend – wenn man es ganz einfach ausdrücken möchte, sind dies die vier Worte, die das Thema gut zusammenfassen. Anstelle sich auf das Negative wie Fehler zu konzentrieren, steht das Positive im Fokus.
Einige Beispiele, die den Unterschied zwischen positivem und negativem Sprachgebrauch im Lernkontext verdeutlichen:
Beispiel 1 für Eltern: Vokabeln lernen
Negativ: „Du sitzt jetzt schon seit über einer Stunde vor deinem Vokabelheft und kannst noch nicht einmal die Hälfte auswendig. Wenn du so weitermachst, wirst du den Test garantiert versemmeln.“
Positiv: „Sehr gut. Du hast dir von den neuen Vokabeln schon richtig viele gemerkt. Anscheinend hast du eine gute Methode zum Lernen gefunden. Mach weiter so, dann hast du bald auch die restlichen Vokabeln im Kopf und bist super auf den Test vorbereitet.“
Beispiel 2 für Lehrende: Lernstoff schmackhaft machen
Negativ: „Als nächstes behandeln wir ein Thema, bei dem ich jetzt schon weiß, dass einige von euch Schwierigkeiten mit dem Lernstoff haben werden. Ihr solltet also genau aufpassen, mitschreiben und fleißig zu Hause lernen, sonst sehe ich bei einigen Schwarz für die nächste Klausur.“
Positiv: „Als nächstes möchte ich mit euch über ein Thema sprechen, bei dem ich schon sehr gespannt auf eure Meinung bin. Das Tolle daran ist, dass jeder von euch damit etwas anfangen kann, denn es begegnet euch jeden Tag in eurem Alltag. Und ich weiß schon jetzt, dass Ihr schöne Beispiele habt.“
Beispiel 3 für Schüler und Auszubildende: Vorbereitung auf einen Test / eine Probe
Negativ: „Hoffentlich fällt der nächste Test besser aus als der Letzte. Da war ich echt schlecht vorbereitet. Zwar habe ich jetzt mehr mitgeschrieben und besser aufgepasst, aber vielleicht reicht das immer noch nicht. Und ich muss noch so viel auswendig lernen, darin bin ich eh nicht so gut. Mama sagt auch immer, dass das nicht gerade meine Stärke ist. Eigentlich habe ich gar keine Lust, anzufangen. Bringt vielleicht sowieso nichts.“
Positiv: „Der letzte Test war zwar nicht so gut, aber ich weiß genau, wie ich es beim Nächsten besser machen kann. Letztes Mal habe ich vorher nicht so gut aufgepasst und nur wenig mitgeschrieben. Das ist jetzt nicht der Fall, denn ich habe aus meinen Fehlern gelernt und brauche keine Angst vor dem Test zu haben. Zwar muss ich noch einige Dinge auswendig lernen, aber ich habe alle Informationen übersichtlich vor mir und bin mir sicher, dass ich gut vorbereitet in den nächsten Test gehe.“
Diese Beispiele sind natürlich etwas übertrieben, um den Unterschied zu verdeutlichen. Doch wenn wir uns selbst und unseren Sprachgebrauch im Alltag beobachten, fallen uns sicher viele Beispiele ein, wann wir uns und vielleicht auch andere mit unserer Sprache positiv oder negativ beeinflussen.
Welche Rolle spielt die eigene Haltung beim Einsatz positiver Sprache?
Die eigene Haltung spielt eine entscheidende Rolle im Kontext des positiven Sprachgebrauchs, insbesondere im Bildungswesen. Sowohl Lehrende als auch Lernende profitieren gleichermaßen davon, wenn eine positive und unterstützende Grundeinstellung gepflegt wird. Sie trägt maßgeblich dazu bei, eine ermutigende und respektvolle Lernumgebung zu schaffen. Dies gilt nicht nur für die Haltung, die wir gegenüber uns selbst haben, sondern auch für Lehrende und Ausbilder, die Schüler, Studierende und Auszubildende mithilfe einer unterstützenden Wortwahl beim Lernen effektiv fördern möchten.
Eine positive innere Haltung fördert nicht nur die eigene Motivation und Resilienz, sondern wirkt auch ansteckend auf das gesamte Lernumfeld. Jeder einzelne kann somit ein Vorbild sein und dazu beitragen, ein Klima der Motivation und Wertschätzung zu etablieren.
Insbesondere für Lehrende ist es wichtig, sich über die eigene Haltung und eigene Rolle beim Lehren bewusst zu sein. Oftmals fällt uns gar nicht auf, wenn wir durch eine negative Wortwahl unbewusst uns selbst und andere beeinflussen. Das hat gar nichts mit bösem Willen zu tun, sondern teilweise mit Unkenntnis und – das darf man nicht vergessen – dem Stress, dem wir täglich ausgesetzt sind.
Die gute Nachricht: Den eigenen Sprachgebrauch auf positiv „umzustellen“ ist überhaupt nicht schwer. Wie bei vielen Dingen bedarf es lediglich ein Bewusstsein sowie ein wenig Übung. Probieren Sie doch einmal das Wort „müssen“ aus Ihrem Sprachgebrauch zu entfernen oder zu minimeren. Das Wort „müssen“ löst häufig Druck aus. Tauschen Sie es beispielsweise gegen „dürfen“ oder „möchten“ und schauen, wie sich das anfühlt.
Nun zur Praxis: Wie wende ich positive Sprache im täglichen Leben, insbesondere im Unterricht, an?
Die folgenden Punkte sind nicht nur für Lehrende eine wirksame Methode, sondern sind in jeder Situation anwendbar:
- Anerkennung: Geben Sie regelmäßig konstruktives Lob und Anerkennung für Anstrengungen und Fortschritte. Achten Sie darauf, spezifisch zu sein, z. B. „Ich bin beeindruckt, wie gut du dieses schwierige Problem gelöst hast.“
- Ermutigende Worte: Verwenden Sie ermutigende und unterstützende Sprache, insbesondere wenn Schwierigkeiten auftauchen. Sätze wie „Du kannst das schaffen“ oder „Ich glaube an deine Fähigkeiten“ können einen großen Unterschied machen.
- Positives Feedback: Formulieren Sie Feedback auf eine positive Weise. Anstatt nur auf Fehler hinzuweisen, betonen Sie vor allem, was gut gemacht wurde und wie Verbesserungen erreicht werden können. Zum Beispiel: „Deine Argumentation ist schon sehr gut, wenn du noch diese Punkte beachtest, wird sie noch überzeugender.“
- Förderung positiver Selbstgespräche: Ermutigen Sie andere, positive Selbstgespräche zu führen. Wer positiv mit sich selbst umgeht und seine eigenen Stärken und Erfolge z. B. aufschreibt, fördert Selbstbewusstsein, Selbstsicherheit und Motivation. Manchmal kann es auch helfen, sich selbst im Spiegel anzuschauen und zu sagen: „Du kannst jedes Problem lösen und wirst es schaffen.“
- Vorbildfunktion: Lehrende und Ausbilder sollten als Vorbilder fungieren, indem sie selbst positive Sprache verwenden und eine unterstützende Haltung einnehmen. Dies zeigt den Lernenden, wie sie auch in schwierigen Situationen konstruktiv kommunizieren können.
Auch im Berufsleben kann der Sprachgebrauch einiges bewirken. Wenn ich früher gegen 17:00 Uhr Feierabend gemacht habe, bekam ich regelmäßig von meinem ehemaligen Vorgesetzen zu hören, ob ich einen Halbtagsjob hätte. Das hat sich eingeprägt und ein schlechtes Gewissen und Gefühl bei mir ausgelöst.
Wie spreche ich Fehler konstruktiv an?
„Aus Fehlern lernt man.“ – diesen Satz kennt jeder. Und es stimmt: Wenn immer alles glatt läuft, ist das zwar schön, aber man lernt nichts Neues dadurch. Außerdem ist es unrealistisch, denn früher oder später treffen wir alle auf Schwierigkeiten oder Herausforderungen. Fehler sind menschlich und können dabei helfen, Fähigkeiten zu verbessern und das positive Selbstbild zu steigern.
In Lernsituationen treffen sowohl Lernende als auch Lehrende immer wieder auf Hürden, das ist völlig normal. Wichtig ist der Umgang mit solchen Situationen. Es ist ganz klar, dass ein Lehrer einen Schüler auf etwas hinweist, das falsch gemacht wurde. Aber wie immer gilt: Der Ton macht die Musik.
Konkret kann positiver Sprachgebrauch hier so aussehen:
„Schau mal hier, diese Lösung stimmt noch nicht ganz. Überleg nochmal ganz in Ruhe, wo genau der Fehler liegt und auf welche Weise du zum richtigen Ergebnis kommst. Der Anfang war sehr gut und ich bin sicher, dass du den Rest auch lösen wirst. Wenn du nicht alleine darauf kommst, helfe ich dir gerne.“
Es lässt sich immer etwas finden, das gut gelaufen ist und richtig gemacht wurde. Wenn man das mit einfließen lässt, reagiert das Gegenüber meistens ebenfalls positiv auf den Hinweis. Gerade Lernen fällt mit Angst und Selbstzweifeln schwer. Wer motiviert ist und sich wertgeschätzt fühlt, lernt a) dauerhaft aus Fehlern und b) traut sich selbst grundsätzlich mehr zu.
Fazit
Positiver Sprachgebrauch hat viele Vorteile, die sich nicht nur beim Lernen, sondern auf das ganze Leben auswirken. Steigerung des Selbstwertgefühls, Förderung der Motivation und eine Reduktion von Angst und Stress führen dazu, dass Menschen sich mehr zutrauen und Lust darauf haben, neue Herausforderungen anzugehen.
Gerade für Lernende ist das essentiell, um sich langfristig anzustrengen und aktiv am Lernprozess teilzunehmen. Wenn Lehrende nicht nur Anerkennung zeigen, sondern auch, dass Fehler dazugehören, führt das dazu, dass die Lernenden mutiger sind, deutlich weniger gestresst und mit Engagement und Freude am Unterricht teilnehmen. Das wiederum wirkt sich positiv auf den gesamten Schulalltag aus.
In Teil zwei zu diesem Thema gehe ich ausführlich auf das eigene „Mindset“ ein und was es mit „Growth Mindset“ auf sich hat.
In meiner Tätigkeit als Lerncoach nutze ich positive Sprache in all meinen Coachings, Vorträgen und Workshops. Die Resultate und Effekte sind unbestreitbar. Gerne zeige ich Ihnen, wie auch Sie von dieser Art des Sprachgebrauchs profitieren können und wie einfach er sich in den (Schul-)alltag implementieren lässt.
Ich freue mich auf Ihre Nachricht!